Multiple endokrine Neoplasien (MEN) sind eine Gruppe von Syndromen, die durch pathogene genetische Varianten zu Tumoren in endokrinen Organen führen. Dabei stellen MEN1, MEN2 und MEN4 die Hauptformen dar. MEN1 wird durch pathogene Varianten im MEN1-Gen verursacht und ist häufig mit Nebenschilddrüsenadenomen verbunden, während MEN2 durch pathogene Varianten im RET-Gen charakterisiert wird und oft zu medullären Schilddrüsenkarzinomen führt. MEN4, das selten auftritt, ist mit pathogenen Varianten im CDKN1B-Gen assoziiert und zeigt ähnliche Manifestationen wie MEN1. Eine Paneldiagnostik kann sinnvoll sein, da sich die Manifestationen der MEN-Syndrome teilweise überschneiden.
WissenschaftlicherMultiple endokrine Neoplasien (MEN) bezeichnen eine Gruppe von Syndromen, die die Ausbildung von Läsionen endokriner Organe begünstigen. Prinzipiell unterscheidet man – in Abhängigkeit vom Phänotyp und dem betroffenen Gen – die drei Syndrome MEN1, MEN2 und MEN4.
MEN1 ist mit dem Auftreten von Nebenschilddrüsenadenomen assoziiert (>95% der Betroffenen). Außerdem können bei Betroffenen Adenome oder maligne Tumoren des endokrinen Pankreas oder Duodenums, der Adenohypophyse, seltener auch Nebennierenläsionen/ Phäochromozytome oder Schilddrüsenläsionen beobachtet werden. Das MEN1-Syndrom wird durch loss-of-function-Mutationen im MEN1-Gen hervorgerufen.
Bei Betroffenen des MEN2-Syndroms werden hauptsächlich medulläre Schilddrüsenkarzinome diagnostiziert (familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom, FMTC). Des Weiteren können hier zusätzlich Nebenschilddrüsenadenome (etwa 50% der Betroffenen) und/oder Phäochromozytome beobachtet werden (MEN2A). Seltener können auch weitere phänotypische Ausprägungen, wie marfanoider Habitus, intestinale Ganglioneuromatosen und/oder Schleimhautneurome, beobachtet werden (MEN2B, auch als MEN3 bezeichnet). Die verschiedenen Unterformen des MEN2-Syndroms gehen auf gain-of-function-Mutationen im RET-Gen zurück.
MEN4 ist äußerst selten und mit pathogenen Varianten in CDKN1B assoziiert. Bei den bislang wenigen identifizierten Betroffenen manifestierten sich – ähnlich wie beim MEN1-Syndrom – hauptsächlich Hyperparathyreoidismus und/oder Hypophysenadenome. Zusätzlich sind bei MEN4-Patienten bereits Nebennierentumoren, Schilddrüsentumoren, Zervixkarzinome, Bronchial- und Magenkarzinoide aufgetreten.
Da sich die Manifestationen der MEN-Syndrome z.T. überschneiden und folglich keine eindeutige Verdachtsdiagnose geäußert werden kann, kann eine Paneldiagnostik aller drei Gene sinnvoll sein. Bei bestimmten Symptomen, wie z.B. dem Auftreten eines Phäochromozytoms, sollten auch andere Syndrome wie das von Hippel-Lindau-Syndrom (VHL) oder das Paragangliom-/Phäochromozytomsyndrom differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden.
Differentialdiagnose beim primären Hyperparathyreoidismus (pHPT)
Der primäre Hyperparathyreoidismus (pHPT) ist gekennzeichnet durch eine vermehrte Ausschüttung des Parathormons und einem erhöhtes Calciumspiegel im Blut. In bis zu 80% der pHPT-Patienten ist ein Adenom der Nebenschilddrüse ursächlich. Selten (<1%) werden Nebenschilddrüsenkarzinome nachgewiesen. Bei 5-10% wird pHPT im Rahmen eines MEN1-, MEN2- oder MEN4-Syndroms, oder eines Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor-Syndroms (HKTS, CDC73-Gen) diagnostiziert. Therapeutisch wird hierbei eine Parathyreoidektomie empfohlen. Davon abzugrenzen ist die Hyperkalzämie im Rahmen der Familiären hypokalziurischen Hyperkalzämie (FHH). Die erhöhte Calciumausschüttung wird in diesen Fällen durch eine Störung (Insensitivität) des Calcium-sensitiven Rezeptors (CaSR, CASR-Gen, FHH1), seltener durch Varianten in GNA11 (FHH2) oder AP2S1 (FHH3) hervorgerufen. Diese Form bedarf keines operativen Eingriffs und sollte deshalb vom primären Hyperparathyreoidismus abgegrenzt werden.
Hinweis zur prädiktiven Diagnostik:
Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats genetisch beraten werden (§10, Abs. 2 GenDG).
letzte Aktualisierung: 12.7.2024