Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist die häufigste Form polyzystischer Nierenerkrankungen, tritt in Europa mit einer Prävalenz von etwa 1:2.000-2.500 auf und führt meist zwischen dem 30. und dem 70. Lebensjahr zu Niereninsuffizienz. Sie ist gekennzeichnet durch die Entwicklung flüssigkeitsgefüllter Zysten in den Nieren und häufige extrarenale Manifestationen wie Leberzysten und intrakranielle Aneurysmen. Molekulare Ursachen der ADPKD sind vorwiegend pathogene Varianten in den Genen PKD1 und PKD2. Die autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) ist seltener, manifestiert sich typischerweise bereits bei der Geburt mit Nierenvergrößerung und Leberfibrose und hat als häufigste Ursache pathogene Varianten im PKHD1-Gen. Beide Erkrankungen zeigen eine signifikante klinische Variabilität und eine Beteiligung verschiedener Gene.
Bei der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) handelt es sich um die häufigste Form der polyzystischen Nierenerkrankungen. Innerhalb Europas gilt sie als seltene Erkrankung, die mit einer Prävalenz von etwa 1:2.000-2.500 auftritt. Sie ist charakterisiert durch die progrediente Entwicklung flüssigkeitsgefüllter Zysten in allen Bereichen der Nephrone und Sammelrohre und die beidseitige Ausbildung vergrößerter, polyzystischer Nieren. Zwischen dem 30. und dem 70. Lebensjahr tritt meist eine Niereninsuffizienz auf, die bei der Hälfte der ADPKD-Patienten bis zur 6. Lebensdekade zum terminalen Nierenversagen führt. Es wurde jedoch eine große Variabilität des klinischen Verlaufs von neonatalem Auftreten bis hin zu guter Nierenfunktion im hohen Alter beobachtet. ADPKD-Patienten können zusätzlich extrarenale Manifestationen aufweisen. Leberzysten sind bei mehr als 90% der Patienten mit ADPKD vorhanden, die älter als 35 Jahre sind. Risikofaktoren für eine schwerwiegendere polyzystische Lebererkrankung sind weibliches Geschlecht, exogene Östrogenbelastung und Mehrlingsschwangerschaften. Eine symptomatische polyzystische Lebererkrankung betrifft etwa 20% der ADPKD-Patienten, die Komplikationen zeigen, die im Zusammenhang mit der Belastung durch vermehrte Leberzysten stehen, wie z. B. Schmerzen, frühe Sättigung, gastroösophagealer Reflux und selten, in den schwersten Fällen, Portalhypertonie mit Aszites und Pleuraerguss. Die Prävalenz intrakranieller Aneurysmen ist bei Patienten mit ADPKD viermal höher als in der Allgemeinbevölkerung, wobei die Schätzungen zwischen 9% und 12% liegen. Bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese für intrakranielle Aneurysmen ist die Prävalenz mit ca. 22% höher als bei Menschen ohne positiver Familienanamnese (6%). Das Screening auf intrakranielle Aneurysmen durch Magnetresonanzangiographie wird empfohlen für Patienten mit auffälliger Familiengeschichte für intrakranielle Aneurysmen oder rupturierten Aneurysmen und bei Patienten mit Hochrisikobeschäftigungen. Als weitere extrarenale Manifestationen einer ADPKD können auch Pankreaszysten (8% der Fälle), Hernien und Herzklappenerkrankungen auftreten.
Molekulare Ursache einer ADPKD sind v.a. pathogene Varianten im PKD1– (78% der Fälle) und PKD2-Gen (15% der Fälle). Das PKD1-Gen umfasst 46 Exons, wobei der Bereich von Exon 1-32 weiter proximal auf Chromosom 16 in sechs duplizierten Kopien als Pseudogen vorkommt. Das PKD2-Gen umfasst 15 Exons. Die bisher identifizierten ursächlichen Veränderungen in beiden Genen beinhalten alle Arten von Variantentypen und sind über alle Exons verteilt. Genomische Deletionen sind bei ADPKD mit 4% für PKD1 und weniger als 1% für PKD2 relativ selten. Eine Ausnahme ist das TSC2/PKD1 Contiguous Gene Syndrome, bei dem große genomische Deletionen das PKD1-Gen sowie das daran angrenzende TSC2-Gen umfassen. Diese Patienten weisen allerdings klinische Symptome einer Tuberösen Sklerose mit der frühen Manifestation von Nierenzysten auf. Zudem wurden kürzlich Veränderungen des GANAB– (ca. 0,3%) und DNAJB11-Gens (ca. 1,2%) als seltene Ursache für eine milde Form der ADPKD identifiziert. Pathogene Varianten im HNF1B-Gen können ebenfalls einen ADPKD-ähnlichen Phänotyp bedingen. Derzeit sind 7% bis 10% der von ADPKD betroffenen Familien noch immer genetisch ungeklärt. Bis zu 25% der Patienten haben keine positive Familienanamnese, etwa 15-20% sind durch de-novo-Varianten erklärbar.
Bei Trägern von ursächlichen Varianten im PKD1-Gen manifestiert sich die Erkrankung früher, und auch Nierenversagen tritt im Schnitt 20 Jahre früher auf als bei Trägern von pathogenen Varianten im PKD2-Gen (58 vs. 79 J.). Varianten im PKD1-Gen, die nicht zu einer Proteinverkürzung führen, zeigen einen deutlich milderen klinischen Verlauf als Protein-trunkierende PKD1-Varianten. In einem Teil der Fälle mit sehr frühem Krankheitsbeginn (weniger als 1% der betroffenen Familien) wurde eine biallele Vererbung nachgewiesen, z.B. die Vererbung einer familiären PKD1-Variante in trans mit einer zweiten PKD1-Variante mit deutlich reduzierter Penetranz. Patienten, die lediglich Träger des Allels mit reduzierter Penetranz sind, dürften keine Niereninsuffizienz entwickeln, können aber im Erwachsenenalter eine kleine Anzahl von Zysten zeigen. Selten wurde eine digene Vererbung mit PKD1 und PKD2 oder auch PKD1 und HNF1B beschrieben, die ebenfalls zu einer schwereren Erkrankung führen.
Die Genprodukte (Polycystin-1 und -2) sind transmembrane Glykoproteine der primären Zilien der Nierenepithelzellen, die über ihre zytoplasmatischen C-Termini miteinander interagieren.
Der Polycystin1/Polycystin-2-Komplex ist über verschiedene Signaltransduktions-Kaskaden an Proliferation, Apoptose, Differenzierung, sowie der Regulation von Zellform und Durchmesser der Nierentubuli beteiligt. Die Entwicklung der Zysten folgt dem 2-Treffer-Modell, wonach zu der Keimbahnmutation in einem der beiden Gene ein zweites, somatisches Mutationsereignis im gleichen oder dem anderen PKD-Gen (Transheterozygotie) die Tumorsuppressorfunktion beider Proteine inaktiviert (Loss of Heterozygosity, LOH). GANAB codiert die alpha-Untereinheit von Glucosidase II, einem Enzym des endoplasmatischen Retikulums (ER), das an der N-verknüpften Glykosylierung beteiligt ist. Die ß-Untereinheit dieses Enzyms wird von PRKCSH codiert, einem der Hauptgene, die an der autosomal dominanten polyzystischen Lebererkrankung beteiligt sind. Das Produkt des DNAJB11-Gens ist einer der häufigsten Co-Faktoren von BiP (auch bekannt als HSPA5 und GRP78), einem Hitzeschock-Protein-Chaperon. Die Gemeinsamkeit zwischen diesen Genen ist, dass man annimmt, dass sie zu gestörter Faltung, Reifung und fehlerhaftem Transport von Membran- oder sekretorischen Proteinen im endoplasmatischen Reticulum führen mit einer besonderen Dosisempfindlichkeit für PC1, was zu einer Nieren- oder Leberzystenbildung führt.
Die autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) ist eine seltene Form der polyzystischen Nierenerkrankung, die primär von den Sammelrohren ausgeht. Sie tritt bei etwa einer von 20.000 Lebendgeburten auf. Der klassische ARPKD-Phänotyp ist gekennzeichnet durch eine früh einsetzende Erkrankung mit bilateraler Nierenvergrößerung und Beeinträchtigung der Nierenfunktion sowie einer kongenitalen Leberfibrose mit Entwicklung einer portalen Hypertension sowie einer Dilatation der Gallengänge mit dem Risiko aszendierender Cholangitiden. Bei etwa 15-37% der beschriebenen ARPKD-Patienten werden gastrointestinale Varizen festgestellt. Eine ARPKD zeigt sich typischerweise bereits in utero oder bei der Geburt und umfasst in den schwersten Fällen die Potter-Sequenz, Oligohydramnion, Lungenhypoplasie und bilateral stark vergrößerte echogene Nieren. Während die Nierenbeteiligung typischerweise früh im Leben im Kindesalter auftritt, zeigt sich die Leberbeteiligung tendenziell später. ARPKD ist im Allgemeinen mit einer verkürzten Lebenserwartung verbunden. Im Falle einer neonatalen Atemwegserkrankung wurde eine Mortalitätsrate von 30-40% beschrieben. Patienten, die die Neugeborenenphase überleben, entwickeln zu etwa 50% innerhalb des ersten Lebensjahrzehnts eine terminale Niereninsuffizienz. Ungeachtet der klassischen neonatalen Präsentation von ARPKD gibt es eine signifikante Variabilität bzgl. Alter bei Krankheitsbeginn und klinischer Symptome, auch intrafamiliär.
Häufigste molekulare Ursache sind pathogene Varianten im PKHD1-Gen. Die Heterozygotenfrequenz in der kaukasischen Bevölkerung beträgt etwa 1:70. Daher ist eine heterozygote PKHD1-Variante ein relativ häufiger Zufallsbefund und bedeutet bei einem betroffenen Patienten nicht unbedingt eine unentdeckte Variante auf dem zweiten Allel. In 13-20% der Fälle werden keine ursächlichen PKHD1-Varianten durch Sequenzierung identifiziert. Genomische Deletionen oder Duplikationen sind selten nachzuweisen. In seltenen Fällen sind ursächliche Veränderungen im DZIP1L-Gen auffindbar. Varianten in zahlreichen anderen Genen, oft aus der Gruppe der Ziliopathien, können ebenfalls einen ARPKD-ähnlichen Genotyp hervorrufen. Darüber hinaus sind sehr früh manifestierende Formen einer ADPKD oder HNF1B-assoziierte Nephropathien zudem als „Phänokopien“ (=Erkrankungen mit anderen molekulargenetischen Ursachen mit ähnlichem Phänotyp) zu nennen.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024